Ladogatour 2007
Am falschen Ort kackende Hunde waren schon immer ein Ärgernis. Alledings, die Schuhe kann man wechseln, die Extremitäten leider nicht. So kommt es Jessi, meiner von mir über alles geliebten Hündin urplötzlich in den Sinn die Seebenischer Strasse mit ihren Exkrementen zu veredeln. Das wir just in diesem Augenblick vom Hundehalsband via Leine zum Fahrradlenker hin verbunden sind entgeht ihr geflissentlich. Ich bin gerade damit beschäftigt mich aus den Speichen des Vorderrades zu befreien, da brandet spontaner Beifall der anwesenden Kleingärtner an mein Ohr. Die bis zur vollen sechskommanull verteilten Haltungsnoten sollten mich eigentlich mit Stolz erfüllen. Andererseits blute ich aus zahlreichen Wunden. Meine rechte Hand verfärbt sich auf unnatürliche Weise. Es schmerzt auch ein wenig. Nach einer Woche vergeblicher Selbstbehandlung mit allen mir bekannten Hausmitteln gehe ich zum Doc. Mitleidiges Kopfschütteln: such Dich mal n´ guten Chirurgen. Den finde ich in Dr. Born in Lausen. Vor Jahren habe ich bereits versucht ihm eine Motocrossverletzung als Leitersturz unterzujubeln. Deshalb ernte ich auch jetzt nur ein vermeintlich wissendes Grinsen. Nicht ganz einen Tag später wird die sogenannte Benettfraktur im Sankt Elisabeth unter Vollnarkose kunstvoll verschraubt. Von guter Besserung ist die Rede und von fünf Wochen Gips. Nun ist die Versehrtengeschichte eines alternden Moppedfahrers wohl sicher nichts, was für irgendwen von Interesse wäre. Pikant wird es lediglich daher weil wir, Jens und Jörg von der Familie „Flagman" seit bereits geraumer Zeit an unserem Russenkurztrip stricken. Dieser ist ungünstigerweise genau in den fünfwöchigen Gips geplant. Von Himmelfahrt bis Pfingsten 2007. Als Passagier auf der Honda von Jens mitzufahren verwerfen wir; glücklicherweise wie sich noch herausstellen wird. Mit Material vom Tierarzt!! und Hilfe von Jana basteln wir eine Alternativschiene, die jederzeit abnehmbar ist. Wir beschließen statt auf dem Landweg anzureisen die Fähre zu benutzen und fahren knapp 3 Wochen nach der OP guten Mutes los. Jens mit seiner betagten Honda „Pan European" und ich mit dem Roten Baron, meiner guten alten Guzzi. Irgendwie ein bischen auch wie russisch Roulette. Da wir vor dem Einschiffen in Rostock noch etwas Zeit haben besuchen wir kurzerhand Jens ehemalige Wirkungsstätte als „Trachtenkasper" in Bad Sulze. Die Kaserne steht noch und wird auch noch immer von den bereits in der Bibel erwähnten Gestalten als Behausung missbraucht. „Sie trugen seltsame Gewänder und irrten ziellos umher" Nach einem zünftigen Abendmahl in einem Landgasthof erreichen wir den Hafen und gehen kurz nach Mitternacht an Bord von Superfast 7. Die Moppeds sind schnell verzurrt. Wir gönnen uns noch ein Schlafbier und legen uns mit vielen schnarchenden Menschen in den Raum mit den Liegesesseln. Meine Hand ähnelt einem Pfannkuchen macht aber sonst keine Probleme. Wir vertrauen auf die heilende Wirkung des Ruhetags auf See, trinken vorsichtshalber noch einen ordentlichen Schluck Kräuter und versuchen zu schlafen. Dies versuchen mehr oder weniger geräuschvoll auch die anderen Anwesenden. Einer demontiert sogar die Sitze um sie kurzerhand als Matratze umzufunktionieren. Jetzt schläft er als Einziger, da seine lautstark polternden Aktivitäten alle Anderen geweckt haben.
Nach einem weiteren kräftigem Schluck haben wir endlich die nötige Bettschwere. Morgen muss eine andere Lösung zum Schlafen gefunden werden. Irgendwie fällt es mir schwer die Kreuzfahrtliebhaber zu verstehen. Nichts deucht mich langweiliger als eine Fahrt auf hoher See, dabei verbringen wir nur 30 Stunden auf dem Schiff. Wir saunieren ausgiebig, glotzen ins Wasser und warten, daß die Zeit vergeht. In ein Restaurant an Bord zu gehen fällt angesichts der horrenden Preise aus. Wir leben von unseren Vorräten und beschließen die nächste Nacht an Deck zu verbringen. Leider lässt sich die Beleuchtung nicht ausschalten aber der Schiffsdiesel wiegt uns angenehm dröhnend in den Schlaf und das Wellenrauschen tut ein Übriges, so das der Kräuter diesmal unangetastet bleibt. Helsinki empfängt uns Tags darauf mit einem Sonnenaufgang, der seinem Namen alle Ehre macht. Wir rödeln unsere Habseligkeiten zusammen, filmen und fotografieren ein wenig und freuen uns auf viele Kilometer durch die bekanntermaßen grandiose skandinavische Landschaft. Noch dazu bei einem Wetter, wie es besser nicht sein kann. Kurz nach 6.00 Uhr Ortszeit tuckern wir mit unseren Moppeds vom Dampfer. Etwa eine halbe Stunde morgendlicher Berufsverkehr und schon haben wir Helsinki hinter uns und nehmen gutgelaunt die Straße Richtung Kotka unter die Räder.
Bei einer Pause an der Tanke treffen wir einige andere deutsche Motorradfahrer, die etwas ratlos um die Spritspender schleichen. Geiz ist eben doch nicht geil wenn man mit dem letzten Tropfen Sprit vom Dampfer kullert um dann festzustellen, daß das um 10ct pro Liter günstigere Benzin hier erst ab 9.00 Uhr zu haben ist. Wir schmunzeln ein wenig in uns hinein und fahren mit unseren vorsorglich in Rostock vollgetankten Moppeds weiter unserem ersten Teilziel, der russischen Grenze, entgegen. Trotz unserer zahlreichen Reisen in diesen Teil der Erde zu allen Jahreszeiten hat der Zauber dieser Gegend nichts von seiner Faszination eingebüßt, wir atmen die saubere Luft und genießen jeden Kilometer. Immer noch ganz benommen ob der tollen Fahrt erreichen wir gegen elf die russische Grenze bei Swetogorsk. Noch ganz trunken vor Glück übersehen wir prompt eine (gefühlsmässig 70 m über der Straße angebrachte) rote Ampel und fahren gutgelaunt direkt in den Kontrollbereich hinein. Damit haben wir natürlich hier sofort komplett versch……! Der Posten ist fest in weiblicher Hand. Wir werden lautstark und wortreich wieder hinter die Ampel gescheucht. Gleich darauf wieder zurückbeordert, die Ampel ist immer noch rot. Man wühlt lustlos ein wenig im Gepäck, dann noch hierhin und dorthin, Eintrittsgeld oder was auch immer, Versicherung, Zollerklärung. Da es verboten ist Rubel einzuführen trauen wir uns nicht mit den mitgebrachten Rubeln zu bezahlen und müssen daher auch noch zeitintensiv Geld tauschen. Ganze Heerscharen russischer und finnischer Autofahrer haben in dieser Zeit den Grenzübertritt problemlos bewältigt, sicher haben sie alle der heiligen Ampel durch Anhalten die nötige Huldigung erwiesen. Nach zwei endlos erscheinenden Stunden dürfen wir endlich weiterfahren. Vor lauter Erleichterung bemerken wir leider nicht, daß wir gar keine Migrationskarten bekommen haben ohne die man aus Russland gar nicht wieder rauskommt. Glücklich verlassen wir diesen grässlichen Ort und steuern die erste Tankstelle an. Endlich, 14.00 Uhr Ortszeit, liegen wir unseren russischen Freunden Nasar und Sergej in den Armen. Sie haben Verstärkung mitgebracht und so lernen wir noch Mischa, seinen Sohn Wowa und Leo kennen. Ein kleiner Imbiss in Swetogorsk und schon sind wir wieder unterwegs. Voraus als Pfadfinder fährt Sergej auf seiner Honda 750 Magma, dicht gefolgt von Nasar auf seiner Vulcan 1500 und uns beiden. Den Schluss bilden die anderen drei im Auto.
Das Wetter ist noch immer traumhaft, verträumte kleine Dörfer, viel Wald und Schotterpisten; für mich als Endurist das Paradis auf Erden. Die Anderen können ob ihrer Fahrzeuge die Fahrt leider nicht so genießen wie ich und besonders froh sind wir jetzt, die zwei Mann ein Mopped Variante verworfen zu haben. Plötzlich schießt die Vulkan quer über die Straße, in einer gewaltigen Staubwolke sehe ich nur noch Nasar vom Mopped purzeln. Augenblicke später steht er mit schmerzverzerrte Gesicht aber hochgereckten Daumen vor mir. Mir fällt ein Stein von Herzen. Die Vulcan hat sich einiger Teile entledigt, die wir eilens von der Straße klauben.
Als wir nach einer etwa 2 stündigen Reparatur weiterfahren dämmert es bereits.
Wir passieren die Grenze zu Karelien. Ein Wachposten hält uns für Spione, läßt sich dann aber von unseren friedlichen Absichten überzeugen. Alle Ortsnamen hier lassen den finnischen Ursprung erkennen. Wir befinden uns auf ehemals finnischem Territorium.
Als der allseits bekannte dekadente Weltbrandstifter vor nunmehr fast 70 Jahren gen Osten marschiert ist hatte Herr Mannerheim, der damalige finnische Oberprimat, nichts Besseres zu tun als fahneschwenkend und hurraschreiend hinterherzulatschen, eine Torheit die unzähligen seiner Landsleute Heimat und Leben gekostet hat. Nur das Universum und die Dummheit der Menschen sei grenzenlos meinte Albert Einstein einmal. Beim Universum allerdings war er sich nicht ganz sicher.Langsam realisieren wir,daß wir dabei sind den Ladogasee zu umrunden. Nach endlosen Kilometern auf Schotterpisten durch die laue Nacht erreichen wir endlich gegen ein Uhr unser Ziel, eine Datscha am nordöstlichen Ufer des Ladogasees. Sie gehöhrt Sergejs Schwiegervater, der trotz der späten Stunde noch auf uns wartet. Die Banja ist vorgeheizt und während wir schwitzen bereiten unsere Freunde noch eine kleine Wiedersehensfeier vor, die angesichts der vorgerückten Stunde nicht allzu lang ausfällt.Der Morgen empfängt uns mit ähnlich traumhaften Wetter wie der Vortag und wir haben Gelegenheit unser Domizil bei Tageslicht in Augenschein zu nehmen, ein richtig großes Haus mit Garten,Banja, Strom, Kamin und original russischem Schlafofen aber ohne Wasser. Das holen wir über der Straße aus einem Brunnen. Der Tag vergeht bei vielen erholsamen Aktivitäten, wir erkunden die traumhafte Umgebung, fahren singend mit dem Boot über den Ladoga, trinken frische Milch („for ten minuts inside in cow" war Nasars Komentar dazu) und Bier. Ich freunde mich mit einem streunenden Hund an den ich am liebsten mit nach Hause nehmen würde. In der Banja misshandeln wir uns gegenseitig mit Birkenzweigen, springen in den Ladoga und fühlen uns sauwohl dabei. Plötzlich, es dunkelt bereits, tun alle sehr geheimnisvoll. Wir sollen mit freiem Oberkörper in den Garten kommen?????? Etwas ratlos folgen wir dem Ansinnen. Plötzlich überall Fackeln, im Radio läuft „Born To Be Wild".
Wir sind völlig sprachlos was speziell bei mir nicht oft der Fall ist. Nasar hält eine kleine Ansprache. Von Freundschaft, grenzenlosen Biken und Hörnchen, unserem leider fehlenden dritten Mann. Wir bekommen jeder ein original russisches Hemd überreicht und liegen uns kurz darauf in den Armen. Die Überraschung ist wirklich gelungen und wir schämen uns unserer Tränen nicht. Danach wird die Zeremonie noch mit Schaschlik und Wodka, beides selbstverständlich original russisch, gefeiert. Am nächsten Morgen, das Wetter ist uns noch immer wohlgesonnen, bereiten wir etwas wehmütig unsere Abreise nach Sankt Petersburg vor. Gern hätten wir hier noch etwas Zeit verbracht. Obwohl nicht wirklich spektakulär ist es trotzdem ein traumhafte Fleckchen Erde. Ebenso traumhaft ist die etwa 450 km lange Strecke, teilweise verläuft sie direkt am Ladogasee und wir sind beeindruckt von der Größe und Schönheit dieses Gewässers.
Irgendwo, in einem verträumten Dorf am Ufer des Ladoga zeichnen sich erste Wolken am sonst so blauen Himmel ab; unsere Freunde stellen fest, daß wir nicht im Besitz sogenannter Migrationskarten sind. Man hat an der Grenze, noch ganz im Bann der Heiterkeit, die zwei so Sonderlinge wie wir verursachen schlichtweg vergessen uns diese auszuhändigen. Irgendwie hatte wohl auch ich das Gefühl, daß irgendwas noch fehlt, aber bei der Masse an Papier…… Aber was solls, zwei lumpige Zettel……… die besorgten Mienen unserer Freunde lassen jedoch ahnen, daß hier noch einiger Ärger ansteht. Bes bumaschku Tüi bukaschka lautet eine treffende russische Redensart, zu deutsch: ohne Papiere bist Du ein Insekt. Wenig später werden wir von einem GAI mit geschulterter Kalaschnikov angehalten, er ist allerdings nicht schwul sondern Verkehrspolizist, GAI bedeutet gosudarstwenaja awtomobilnaja incpektzija, zu deutsch sehr frei übersetzt Verkehrspolizei. Grinsend zeigt er uns seine Radarpistole auf der eine 119 blinkt; erlaubt war wohl glaub ich 80 oder 90!! Ade lieb Heimatland, in Sibierien soll es ja zuweilen auch ganz schön sein. Doch niemand verliert Leben, Freiheit oder Motorrad, ja sogar schnöden Mammon verschmäht der allerorten als korrupt gescholtene Büttel des Staates und lässt uns ungeschoren weiterfahren. Mhh!!! Endlich, bei Einbruch der Dämmerung erreichen wir die ehemalige Hauptstadt des russischen Reiches, unser Ziel.
In einem unscheinbaren Haus in einem Vorort von SPB residiert Nasar mit seiner Familie, hier werden auch wir die nächsten Tage zu Hause sein. Die Wohnung jedoch ist toll, ebenso der Empfang den uns Olga, seine Frau sowie ………… und Wanja, die Kinder bereiten. Irgendwann, die Morgenröte zeigt sich schon ganz verschämt, lassen wir den Tag bei Brot, Speck und karelischen Balsam ausklingen. Am nächsten Morgen endet die Nacht gegen Mittag, wir holen unsere auf einem bewachten Hotelparkplatz abgestellten Moppeds und fahren in einen Motorradclub um unsere Moppeds auf Vordermann zu bringen. Das ist nach wenigen Minuten erledigt und wir dürsten nach neuen Abenteuern. Nicht so Nasar. Er beseitigt seelenruhig die Sturzschäden vom Ladogasee und hat auch sonst kosmetische Pläne mit seiner Vulcan. Das Nummernschild soll zusammengerollt in den Auspuff oder so. Da er irgendwann mit seiner Vulcan auch nach Old Germany kommen möchte überzeugen wir ihn von einer Deutschland kompatieblen Variante und braten ihm das dann auch irgendwie zurecht. Irgendwannspät trifft ein völlig erschöpfter und durchnässter Sergej bei uns ein. Der Junge ist tatsächlich mit unseren Pässen bei strömenden Regen zurück an unseren Grenzübergang gefahren um diese Scheißzettel zu holen. Hier definiert sich der Begriff Freundschaft völlig neu, ausgestanden ist der leidige Papierkrieg damit jedoch immer noch nicht. Unweit von Nasars Wohnung gibt´s eine hochinteressante Kneipe. Man führt das Zündapp Logo, alte Moppeds dienen als Zierrat oder hängen von der Decke und wohlgestaltete Kellnerinnen animieren uns zum Essen und zum Trinken.
Irgendwann töffteln wir gesättigt durch die Stadt, erleben eine Wasserfontänensinfonie auf der Newa. Dort lernen wir einen hochinteressanten Russen mit deutscher Vergangenheit kennen und sehen Öffnung und Schließung der Newabrücken. Natürlich müssen unsere Moppeds versteckt werden. Das geschieht in einer rund um die Uhr bewachten Garagenanlage am anderen Ende der Stadt. Alles klar, doch wie kommen wir zurück? Dimitri fährt uns, ein bis dahin sehr sympatisch wirkender Motorradfahrer aus Nasars Bekanntenkreis. Frohgemut steige ich in den gut klimatisierten und geheizten Toyota Jeep. Die darauffolgende Fahrt empfinde ich als zwanzigminütigen Mordversuch. Nur selten in meinem Leben habe ich mich sooooo gefürchtet. Mein Freund? Jens registriert meine Panik sichtlich amüsiert und scheint sie regelrecht zu geniessen. Wie es Dimitri gelang die Physik zu überlisten und Kurvengeschwindigkeiten zu realisieren, die mir unmöglich erschienen??? Weiß der Geier!!!! Aber was uns nicht umbringt härtet uns ab und so warten wir am nächsten Tag hoffnungsvoll auf Micha und seinen Benz. Welchselbiger soll uns nach Puschkin bringen, dem Ort des legendären Bersteinzimmers. Vorher müssen wir jedoch noch die Geschichte mit diesen blöden Zetteln aus der Welt bringen. Irgendwann kommt Micha, wir fahren an einen geheimnisvollen Ort in der Nähe des finnischen Bahnhofs und müssen dort hören, daß wir ja die blöden Zettel viiiiiiiel zu spät bringen und deshalb Strafe zahlen müssen. Dies übrigens in akzentfreien deutsch!
Wir entrichten einen Berg Rubel, sehen daß Micha, der uns abwesend glaubt noch einige Dollars darüberkrümeln lässt und hoffen, daß die Aktion fehlendes Papier damit vom Tisch ist. Das Bernsteinzimmer sehen wir trotz eifriger Bemühungen unseres Chauffeurs leider nicht mehr. Das Museum hatte leider schon zu. Da wir aber mit Sicherheit nicht das letzte Mal hier waren sind wir recht gelassen, beginnt die russische Mentalität bereits etwas auf uns abzufärben? Wieder in Petersburg überraschen uns unsere Freunde nach einem üppigen Abendmahl in Nasars Stammkneipe mit einer traumhaften Bootsfahrt auf der abendlichen Newa durch die historischen Stadtteile ihrer Heimatstadt. Wir erleben viele der allerorten bekannten Sehenswürdigkeiten Sankt Petersburgs im schwindenden Licht des sterbenden Sommertages. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis. Die in ein gespenstig grün-dunkles Licht gehüllte Aurora wird uns als effektivstes Kriegsschiff aller Zeiten präsentiert: EIN Schuss, 70 Jahre alles kaputt. Wir haben das damals anders gelernt…. Der Tag klingt in einer sehr interessanten Kneipe namens „Odin" aus. Gibt es irgendwo in Deutschland eine Gaststätte in der man früh um 2 noch frisch gemeuchelten Fisch essen kann? Das Petersburger Nachtleben steckt voller Überraschungen wie die Petersburger selbst. Frühstück gegen 14.00, ein für mich vor wenigen Tagen völlig undenkbarer Tagesbeginn: es gibt Buchweizengrütze mit Milch. Schmackhaft, nahrhaft und kann sogar Nasar. Danach mit der Metro durch SPB, filmen und fotografieren leider völlig unmöglich da militärischer Sicherheitsbereich!!! Die U-Bahn??? Nachdem Jens fast Camcorder, Freiheit und Leben eingebüsst hätte glauben wir den Scheiß und dokumentieren nichts, was ich als ausserordentlich bedauernswert empfinde. Die Metro besteht aus architektonischen Kostbarkeiten die man einfach gesehen haben sollte. Tja, also fahrt dahin, es lohnt wirklich!!!!!!!!!!!!!!! Irgendwann landen wir in Zarskoje Selo, Nasar verabschiedet sich auf Arbeit und wir können endlich SPB auf eigene Faust erkunden. Hier befinden wir uns an der Geburtstätte von SPB, die ersten Gebäude die damals von Peter dem Ersten errichtet worden sind. Viele Legenden berichten von diesem geschichtsträchtigem Ort und auch wir sind ergriffen von der historischen Aura die diesen Ort zu umgeben scheint. Wir betreten die Katedrahle. Die Gebeine Peters des Ersten sind hier bestattet und auch die legendären von den Bolschewiki ermordeten Romanows samt der geheimnisumwitterten Fürstin Anastasia haben hier 1995 ihre hoffentlich letzte Ruhestätte gefunden. Es wäre ihnen zu wünschen. Danach erleben wir eine pulsierende Millionenstadt. Ein Feiertag steht an, Musik allerorten, Menschen tanzen unbekümmert auf der Straße, einfach göttlich. Bei all dieser gelebten guten Laune fällt es schwer das Misstrauen zu verstehen, mit dem die Menschen einander begegnen. Statistiken belegen, daß die Kriminalitätsrate nicht höher ist als in Deutschland. Wenn man erlebt wie diese Menschen hier zu feiern verstehen möchte man sie einfach nur alle in die Arme schliessen. Diese Unbekümmertheit ist uns irgendwann verloren gegangen. Wir treffen Nasar. Die Moppeds werden geholt und sicher vor einem Hotelparkplatz abgestellt. Langsam realisieren wir, daß dies unser letzter gemeinsamer Abend ist. Den Plan auf dem Landweg über das Baltikum zurückzufahren verwerfen wir. Der exzessive Lebensrhytmus der Russen zollt seinen Tribut und auch das Patschhandproblem ist nicht wegzudiskutieren. Wir lechzen regelrecht nach dem Ruhetag auf See. Nasar und Sergeij begleiten uns auf einer traumhaften Tour entlang des bottnischen Meerbusens nach Viborg. Es ist einfach nur geil. Kurz vor Viborg ist es dann soweit. Ein letzter Stop, ein letztes Foto, eine letzte Umarmung und jeder fährt seiner Wege. Sergej und Nasar nach Hause nach SPB und wir zur finnischen Grenze .
Vor zwei Jahren auf unserer Wintertour haben wir die Russen um Unterstützung für unsere Tour gebeten. Wir bekamen diese und mehr als das. Wirklich echte und wahrhaftige Freunde. Selbstlos, ehrlich und manchmal auch anstrengend. Menschen für die man bedenkenlos die Hand ins Feuer legen würde, sie täten es für uns auch und haben es bereits getan. Auf der Superfast 7 grollt das Nebelhorn, es geht beeindruckend Richtung Heimat. In Rostock Wetterleuchten. Mit Wasserfall von oben. Wir fahren direkt im Gewitter. Uns ist nicht wirklich wohl dabei. Schmid hat zwar vielfarbige Verbände für die Putthand dabei, aber keine Regenhose. Der Käfig des Herrn Farraday sah auch nicht aus wie ein Mopped. Irgendwie kommen wir aber doch nach hause, ob wir geschwommen oder gefahren sind vermag ich im nachhinein nicht mehr eindeutig festzulegen. Wir sind zu Hause, die Hand schwillt langsam ab und die frischen Erlebnisse suchen sich einen Platz in all den vorherigen Erinnerungen. Nach nunmehr 6 Wochen komme ich endlich dazu mir den kunstvoll selbst wiederangelegten Gips von Dr. Born entfernen zu lassen. Es ist alles bestens, die Schrauben darf ich sogar mit ins Grab nehmen (Titan, hört, hört) Der Doc meint es wäre nie verkehrt, wenn die Schiene etwas länger dranbleibt. Jetzt bin ich es, der grinst.