Kurt Tucholsky
Mein erster Beitrag in dieser Rubrik gilt zu recht nicht einem Buch sondern einem Schriftsteller. Seit vielen Jahren ziert eine Gesamtausgabe von Kurt Tucholsky mit kunterbunten Einbänden meinen Bücherschrank. Nun möchte ich natürlich niemanden dazu animieren mehrere Hundert Euronen zu investieren um sich im Anschluß nonstop durch mehrere tausend Seiten Tucholsky zu quälen; so günstig wie ich in den Endachtzigern beim Verlag" Volk und Welt" meinen "Tucho" erstanden habe bekommt man ihn heute nicht mal mehr in desolaten Zustand antiquarisch oder auf dem Trödelmarkt. Ja, es gab eine Zeit in diesem Land, da war lesen nicht als altmodisch verpönt und Bücher noch bezahlbar. Aber das war wohl, glaub ich, auch ein anderes Land. Aber hin und wieder findet man in den "Hochburgen" der anspruchsvollen Literatur wie Kaufhof, Real oder ähnlich für schändlich wenig Geld Kostbarkeiten wie Kaffka, Melville, Poe oder eben Tucholsky in großen Ramschkisten neben Scheibenwischern, Hartkäse und Damenbinden. Hier sollte man dann bedenkenlos und schnell zuschlagen. Darüber,ob sich unsere Klassiker in der Gesellschaft von "Omas kleiner Kräuterkunde" nun wohlfühlen oder nicht sollte man besser nicht nachdenken. Obwohl, vielleicht ist "Tucho" ja eine Art intellektuelle Hausapotheke? Gut, so banal sollte man das wohl nicht zum Ausdruck bringen, ich kann jedoch für mich in Anspruch nehmen immer irgendwas zu finden was mich in meiner jeweiligen Situation weiterbringt und aufbaut. Sein meist erfrischender Humor, die selbst heute nie altmodisch wirkende Sprache und die beissende Satire. Dabei ist es meist unerheblich, nach welchen von den bunten Einbänden ich greife. Ja, Tucho ist selbst mit dieser zeitlichen Distanz gesehen für mich immer noch eine Art Breitbandantiidioticum. Hilft immer! "Rheinsberg" war meine erste bis zum Ende durchgestandene Liebesschnulze. Fand ich absolut toll, obwohl ich andere Schriften dieses Genres stets schon beim Studium des Einbandes angewiedert zurücklege. Bei "Schloss Gripsholm" habe ICH, ein MANN, geheult wie ein Wasserspender; das ist mir bei "Dirty Dancing" und "Titanic" nie passiert!!
In seinen Schriften und Gedichten kurzweilig, satirisch und visionär. Und, obgleich seit über 70 Jahren nicht mehr am Leben, immer noch brandaktuell. Ein Mensch.
Ein schreibender Mensch.
Mit Träumen, Visionen, Sorgen, Nöten, Krankheiten und Schrullen.
Und Freunden.
Am Ende seines Lebens ein aufgehörter Schriftsteller.
Ich habe stets bedauert ihn nie persönlich kennengelernt zu haben, aber mir bleiben seine Gedichte, Geschichten und Briefe, wobei vor allem letztere für mich den wahren Tucholsky offenbaren. Irgendwann zwischen dem 19. und 21.12.1935 im Alter von nur 45 Jahren im schwedischen Exil nahe Göteborg eingeschlafen ruht Kurt Tucholsky in Mariefried, dem Ort der Handlung seiner letzten Geschichte "Schloß Gripsholm". Da gerade in dieser Geschichte soviel Herzblut steckt bin ich überzeugt, diese Ruhestätte wäre auch seine Wahl gewesen.